Jahresbericht Sozialkunde 2017/2018

"Niemand hat das Recht nur zu gehorchen"

Sozialkunde ist ein Unterrichtsfach, in dem man, so definiert es die Enzyklopädie Wikipedia, „…die Gesellschaft, das politische System sowie die Wirtschafts- und Rechtsordnung der Bundesrepublik unter soziologischer, politikwissenschaftlicher, wirtschaftlicher und rechtlicher Perspektive beleuchtet“. Zudem werde das Ziel verfolgt, „ … zur politischen Bildung der Schüler beizutragen“.

Das ist ein Anspruch, der, wollte man nur alle wesentlichen Aspekte dieser Definition in der unterrichtlichen Umsetzung erfüllen, anderen Fächern keinen Raum mehr lässt. Die sozialkundliche Realität an der Berufsschule besteht aus einem einstündigen Fach pro Woche über drei Jahrgangsstufen.

Das, was man gemeinhin unter politischer Bildung versteht, ist Inhalt der 11. Jahrgangsstufe mit den fünf großen Themengebieten: Staatsziele und Staatsordnung, politischer Entscheidungsprozess, Repräsentation und Wahl, Politik und Partizipation und Deutschland in Europa.

Hier können aktuelle politische Themen kontrovers diskutiert werden. Hinter dieser „Diskussionskultur“ steht die Hoffnung, dass sich durch ein „Mehr an Debatte“ etwas herausbildet, das den einzelnen Schüler, aber auch den Lehrer in seinem politischen Bewusstsein fördert.

An Angeboten aus der Politik, gerade auch aus der Landespolitik, mangelt es dabei in letzter Zeit nicht. Jüngstes Beispiel einer Steilvorlage für den Politikunterricht ist der Beschluss des Bayerischen Kabinetts, in jeder Behörde im Eingangsbereich ein Kreuz aufhängen zu lassen. Übrigens ein Sachverhalt, der in Bayern in (fast) jedem Klassenzimmer (politische) Realität ist.

Das Spannungsfeld zwischen Politik/Landespolitik, Gesellschaft, Kirchen und Rechtsordnung lässt sich hier im Vorfeld kommender Landtagswahlen sehr gut verdeutlichen. Transparent wird dies u.a., wenn man die Position der Landesregierung der Position des Bundesverfassungsgerichts als „Hüter des Grundgesetzes“ gegenüberstellt.

So ist das Bundesverfassungsgericht in dem sog. „Kruzifixurteil“ von 1995, das das Aufhängen von Kreuzen in Klassenzimmern thematisierte, der Meinung, dass „ … das Kreuz nicht seines spezifischen Bezugs auf Glaubensinhalte des Christentums entkleidet und auf ein allgemeines Zeichen abendländischer Kulturtradition reduziert werden kann.“ 

Darüber hinaus hob das Gericht hervor, dass der Staat nicht nur eine „religiöse Neutralitätspflicht“ aus der Verfassung habe, er könne sich vielmehr nicht selbst als Staat auf Religionsfreiheit oder eine bestimmte Weltanschauung berufen (hier also die christliche), da ein Staat als solcher weder einer Religion angehören, noch Grundrechte für sich in Anspruch nehmen kann.

Der Karlsruher „Kruzifix-Spruch“ „ …war eine Leitentscheidung - der erste große Gerichtsentscheid über den Respekt gegenüber Anders- und Nichtgläubigen in einem Land, das multikulturell und multireligiös geworden ist.“, so Heribert Prantl in der Süddeutschen Zeitung vom 19.05.2015.

Aber vielleicht kann man es auch so sehen, wie es der Mathematikprofessor Paul Erdös tat, der gefragt wurde, wie er sich als Mensch mit jüdischem Glauben an einer sogenannten „katholischen Universität“ fühle. Er antwortete: „Von Katholizismus ist nicht viel zu spüren, es geht sehr mathematisch zu. In jedem Hörsaal hängt ein Pluszeichen“. 

Eine sicher humorvolle Sichtweise, die eine gewisse Gelassenheit verdeutlicht, die in der politischen Diskussion manchmal abhanden kommt und die trotzdem gleichzeitig einen Anstoß gibt, über die Sinnhaftigkeit von christlichen Symbolen in staatlichen Einrichtungen nachzudenken.

Festzuhalten bleibt aber in jedem Fall, dass die zunehmende Tendenz in gesellschaftlichen Gruppen und nicht nur auf politischer Ebene, juristische Vorgaben aus politischen Gründen oder aus einer „Mia san mia Mentalität“ zu ignorieren, die Gefahr der Polarisierung birgt und das demokratische „Miteinander“ gefährdet.

Ein recht herzliches Dankeschön an alle Kollegen und Schüler, die den Fachbereich Sozialkunde in diesem Schuljahr wieder unterstützten und dabei auch aktiv an sozialkundlichen Veranstaltungen teilnahmen. 

Ein besonderer Dank gilt hierbei auch den politischen Institutionen, die die folgenden Vorträge bzw. workshops ermöglichten:

 

  • Zeitzeugenberichte durch Thomas Lukow (Stasi Museum Berlin):

- „Das Mauersystem zwischen Deutschland und Berlin.“

- „Die MfS-Untersuchungshaftanstalt Hohenschönhausen und die operativ psychologische Bearbeitung.“

Hans Seidel Stiftung

  •  "Das andere Deutschland? - Leben und Alltag in der DDR"

- Vorträge und Zeitzeugengespräch

Deutsche Gesellschaft e. V.

  • Ausstellung mit dem Thema "Rechtsradikalismus in Bayern"

mit einem Vortrag Frau Mair vom Institut für sozialwissenschaftliche Forschung, Bildung und Beratung (ISFBB) e.V, Nürnberg 

Friedrich-Ebert-Stiftung

  • Ausstellung und Vortrag „Menschen in Bewegung“

Formen und Ursachen von Migration

Friedrich Ebert Stiftung

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Im September 2017 fanden bei uns die Projekte „Juniorwahl“ und „U18“ zur Bundestagswahl statt. Dabei wurden Wahlvorgänge mit den Originalstimmzetteln des Wahlkreises 232 (zu dem Neumarkt gehört) simuliert und ausgewertet. Als realitätsnahe Projekte der politischen Bildung setzen sich diese Projekte dafür ein, dass Kinder und Jugendliche unter 18 Jahren (symbolisch) wählen gehen und sich damit politisch sichtbar ausdrücken und direkt erfahren, wie Demokratie funktioniert.

Sehr positiv zu vermerken ist das Engagement der Schreinerklasse, die den Titel der Berufsschule, Schule ohne Rassismus, Schule mit Courage“ ernst genommen hat und sich aktiv für das Bleiberecht zweier afghanischer Mitschüler einsetzten.

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Der Appell an Juristen ihr Gewissen zu prüfen, wenn es um Abschiebungen in Länder geht, in denen die Sicherheitslage prekär oder ein faires Strafverfahren unwahrscheinlich ist, und auch festgeschriebene Gesetze stets zu hinterfragen, hat an Aktualität nichts verloren. "Niemand hat das Recht nur zu gehorchen", hat Hannah Arendt einmal treffend formuliert.

Im März 2018 wurde das Berufliche Schulzentrum von der DGB Jugend auf ihrer bayernweiten Berufsschultour besucht. In der Pausenhalle war ein Infostand aufgebaut, an dem die Schüler sich über arbeitsrechtliche Fragen informieren konnten. 

Im Frühjahr hatte die Klasse WIN 11 a im Rahmen des Projekts „Lernort Staatsregierung“ die Möglichkeit, das Bayerische Wirtschaftsministerium zu besichtigen (siehe Extrabericht). Dabei hatten wir die Gelegenheit, mit Gesundheitsministerin Melanie Hummel zu sprechen.

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Besonders bedanken möchte ich mich wieder bei der Religionsabteilung, den Schülern der Religionsklassen und den Organisatorinnen des Weihnachtsbasars für ihr „soziales Engagement“ und für die großzügige finanzielle Unterstützung des einzigen bayerischen Kinderhospizes in Bad Grönenbach/Allgäu.

Trappe, StD

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