Jahresbericht Sozialkunde 2016/2017
„MAKE SOZIALKUNDE GREAT AGAIN“
„Wenn die Politik zur Gefahr für die Wirtschaft wird“. Diese Überschrift trug ein Artikel bei „Spiegel online“ zum Jahreswechsel 2016/17. „Die internationale Ordnung gerät ins Wanken, die westlichen Demokratien werden zunehmend instabil“. Stichworte dazu lassen sich aus dem letzten Jahr in großer Anzahl anführen: die Wahl Donald Trumps zum Präsidenten der USA, der Putschversuch in der Türkei und die anschließenden Reaktionen der Machthaber, das Austreten Großbritanniens aus der EU, die sogenannte Flüchtlingskrise (für wen ist es eigentlich eine Krise?) …
Gleichzeitig stellt sich die Frage, ob die Politik grundsätzlich der Wirtschaft zu dienen hat oder ob sich die Wirtschaft der Politik unterzuordnen hat. Ein interessantes Spannungsfeld, das sich auch im Sozialkundeunterricht der Berufsschule stellt, wenn es um Themen wie Arbeitsschutzgesetze, Einkommens- und Vermögensverteilung in Deutschland, Wirtschaftsordnungen und und … geht. Ein Spannungsfeld, das sich gerade im Sozialkundeunterricht „bearbeiten“ und „kontrovers diskutieren“ lässt.
Noch befindet sich die überwiegende Anzahl unserer Schüler mitten in der Ausbildung. Doch was kommt danach? Wie wollen die jungen Menschen, die die zukünftigen Gestalter der Gesellschaft sein werden, ihr Land organisieren, wie sehen sie das Verhältnis Politik und Wirtschaft? Wie wollen sie für die offene Gesellschaft innerhalb und außerhalb ihres Schulgeländes eintreten? Wie sollen sie lernen, mitzugestalten?
„Wenn ich nur darf, wenn ich soll,
aber nie kann, wenn ich will,
dann mag ich auch nicht,
wenn ich muss.
Wenn ich aber darf,
wenn ich will,
dann mag ich auch,
wenn ich soll
und dann kann ich auch,
wenn ich muss.
Denn die können sollen,
müssen auch wollen dürfen.“
Graffiti am U-Bahnhof Berlin Alexanderplatz
Wahrlich ein „Spruch“, den man mehrmals lesen muss um ihn zu erfassen, der jeden, der mit Bildung, Erziehung und Betreuung befasst ist, zum Nachdenken bringen sollte. Sicher ist es so, dass Bildungs- und Erziehungsprozesse nie nur nach dem Lustprinzip funktionieren. Es wird immer so sein, dass man sich manche Dinge erst einmal aneignen muss, weil man sie für weitere Erkenntnisfortschritte einfach braucht und nicht darauf warten kann, bis man etwas für wissenswert hält. Das sollten wir im Zusammenhang mit der zunehmenden Forderung nach überwiegend selbstbestimmtem bzw. selbstorganisiertem Lernen nicht vergessen.
Aber es gilt eben auch: „Denn die können sollen, müssen auch wollen dürfen.“
Wir haben unser Ziel erreicht, wenn es uns neben der rein fachlichen Bildung gelingt, Schülerinnen und Schüler zum selbstbestimmten Lernen, zur natürlichen politischen Neugier zu befreien. Dazu kann und muss eine Schule Impulse setzen.
Schüler, aber auch Lehrkräfte sollen sich „einmischen“ in den gesellschaftlichen und schulischen Prozess des „Miteinanders“. „Schule ohne Rassismus, Schule mit Courage“ fordert alle Mitglieder der Schulgemeinschaft auf, Mut zu zeigen, sich um die eigenen Angelegenheiten zu kümmern und die eigenen Anschauungen zu vertreten.
Mit ein paar kleineren Veranstaltungen versuchte der Fachbereich Sozialkunde, hier Anregungen zu geben und idealerweise politisches Interesse bzw. Engagement anzustoßen.
So besuchte am 17. Oktober 2016 Frau
Birgit Mair vom Nürnberger Institut für sozialwissenschaftliche Forschung, Bildung und Beratung e.V. (ISFBB) und Frau Haile aus Eritrea das Berufsschulzentrum Neumarkt im Rahmen des Projekts "Refugees welcome?!". (Siehe Extrabericht)
Vom 14. November an konnte man in der Aula der Berufsschule die Ausstellung "Asyl ist Menschenrecht" besuchen. Sie sollte wissensbasiertes Verständnis für Flüchtlinge und ihre Situation vermitteln und das Bewusstsein über die Allgemeingültigkeit und die Unteilbarkeit von Menschenrechten stärken. Bei einer zufälligen Begegnung im Rahmen der Ausstellung erzählte mir ein junger Flüchtling aus Syrien, dass er „…zehn Stunden im Mittelmeer getrieben ist bis er gerettet wurde …“. Stellen Sie sich das einmal vor – zehn Stunden ohne Gewissheit, ob das der letzte Tag seines Lebens sei – und das mit 16 Jahren!
Im Rahmen des Projektes "Lernort Staatsregierung" konnten die Industriekaufleute der WIN 11c und WIN 11b am 19. Januar 2017 in Begleitung von Herrn Krug und Herrn Trappe das Bayerische Staatsministerium der Finanzen und die Bayerische Staatskanzlei besuchen. (Siehe Extrabericht)
Am 06. März besuchte die DGB Jugend im Rahmen ihrer bayernweiten Berufsschultour die Berufsschule Neumarkt. Dabei wurde von einigen Klassen die Möglichkeit genutzt, einen Vertreter der Gewerkschaft in eine Sozialkundestunde einzuladen, der zu gewerkschaftlichen Themengebieten (Arbeits- und tarifrechtliche Fragen, Gegenwart und Zukunft der Gewerkschaften ...) referierte.
Zum Schuljahresende planen wir mit der Unterstützung der Deutschen Gesellschaft e.V. ( Eingetragener Verein zur Förderung politischer, kultureller und sozialer Beziehungen in Europa) zwei weitere Veranstaltungen: So soll in einem Projekt der geringen Wahlbeteiligung und der Politikverdrossenheit unter den Erstwählern entgegengewirkt werden. Dazu sollen in einem interaktiven Workshop die Kenntnisse über das deutsche Wahlsystem und die bevorstehende Bundestagswahl verbessert werden. Zentrales Element des Projektes ist ein Austausch zwischen den Schülern und Politikern. In Form eines Speed-Datings sollen die jungen Erwachsenen die Politiker in Kleingruppen zu verschiedenen, für sie relevanten, Themen interviewen.
Das andere Projekt möchte mit den Jugendlichen das Leben im geteilten Deutschland interaktiv erörtern und mit dem anschließenden Zeitzeugengespräch eine Persönlichkeit in den Mittelpunkt stellen, die in besonderem Maße vom Leben im geteilten Deutschland betroffen war.
Herzlichen Dank allen Sozialkundekollegen für die wertvolle Arbeit während des Schuljahres. Als Sozialkundefachbetreuer denke ich dabei auch an die im wahrsten Sinne des Wortes „ungezählten“ zusätzlichen Stunden, die viele Kollegen bei Berlinfahrten, Klassenfahrten und sonstigen sozialkundlichen und betrieblichen Fahrten unter erheblichen aufsichtsrechtlichen Risiken auf sich nehmen. Zeit, die zum großen Teil dem persönlichen Engagement geschuldet
ist!
Besonders bedanken möchte ich mich wieder bei der Religionsabteilung für ihr „soziales Engagement“ bei der Unterstützung des Kinderhospizes in Bad Grönenbach/Allgäu und für die sensible Begleitung bei tragischen Todesfällen an unserer Schule.
Sehr positiv ist die Gewissheit, von der Schulleitung in allen sozialkundlichen Angelegenheiten unterstützt zu werden.
Trappe, StD